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Pflugfelder Brücke Teil 2

Wiesbauer's LR-11000 in der Nacht



Die Alte Pflugfelder Brücke in Kornwestheim ist nun endlich weg; Leonhard Weiss hat schon mit dem Bau der neuen Brücke begonnen. Für den Abriss der alten ist das Abbruch-Team von Max Wild zuständig. Für den Westteil der Brücke im Frühjahr hatten sie den LR-11000 von Emil Egger zum Aushub eingekauft. Das mittlere Teil hatte der LTM 1650 von Wiesbauer ausgehoben; über diese beiden Hübe habe ich hier berichtet. Der noch verbliebene Ostteil wurde nun im Oktober durch Wiesbauer's LR 11000 ausgebaut und dann von Max Wild's Knabberbaggern zerlegt.

Der verbleibende Teil der Brücke wurde per Schneidbrenner in drei Teil geschnitten damit sie für den LR 11000 "tragbar" waren. Das innerste Stück wog (inklusive Gehänge) um die 200 t bei einer Ausladung von 67 Meter. 400 Tonnen Schwebeballast waren aufgestapelt. Der mittlere Teil waren 100 Tonnen bei 44 Meter, und der dritte dann 212 Tonnen bei 27 Meter.

Neben dem LR 11000 waren noch drei weitere Krane von Wiesbauer im Einsatz. Der LTM 1250 hat den LR 11000 und seinen Ballast auf- und abgebaut. Der LTM 1050 hat ein Gerüst-Treppenhaus versetzt. Und der AC 7.450 hat eine Behelfsbrücke (30 t bei 78 m) installiert, damit die Bahnmitarbeiter auch nach dem Brückenabriss noch zu ihrem Abrollberg kommen. Gearbeitet wurde vor allem nachts, denn da hat die Bahn die Gleise gesperrt und die Oberleitung geerdet. Interessant war auch, dass die herausgehobene Brücke dort zum liegen kommen sollte wo der AC 7.450 stand um die Behelfsbrücke einzuheben. Der musste also erst abgebaut werden bevor der Aushub der Brücke beginnen konnte.

Hier gibts Bilder vom Aufbau, vom Hub des entferntesten Brückensegments sowie am Ende eine detailliertere Erklärung des Hubs.



Aufbau

                                                                                                                       


Hub

                                                                                                                                                                                                                                   


Details zum Brückenhub

Prinzip des Raupenkrans: Es beruht darauf dass die Last am Ausleger und der Ballast am Gegenausleger des Krans die gleichen Momente (Masse * Abstand) ausüben. Ist eines der Momente größer, so kippt der Kran in Richtung des größeren Moments. Jedenfalls wäre das so wenn der Kran auf einem einzigen Punkt stehen würde, wie die Wippe auf dem Spielplatz. Tatsächlich steht der Kran aber auf einer Fläche, die durch seine Raupenfahrwerke definiert ist. Solange sich also der Schwerpunkt des Systems innerhalb der durch die Raupenfahrwerke definierten Fläche befindet, können Lastmoment und Ballastmoment auch unterschiedlich sein. Übrigens gilt das natürlich nur, wenn der Untergrund nicht nachgibt. Deswegen wird immer ein sog. Kranplatz gebaut, bestehend aus verdichtetem Grund und/oder aufgeschüttetem Sand, sowie Stahl- oder Holzplatten auf denen der Kran steht bzw. verfährt. Siehe auch das Kranführer Ronny Kultvideo :-)

Anheben der Brücke: Zum Aufbau des Krans waren "nur" die 200 t Ballast auf dem Oberwagen und 90 t auf dem Unterwagen notwendig; es war kein Schwebeballast angehängt. Die Ballastpalette wurde dann am Morgen des (Hub-)Samstags auf der Heinkelstrasse aufgestapelt. Zum Hub hat Joachim den Ausleger auf die nötigen 67 m Radius abgesenkt. Dann wurde die Ballastpalette angehängt, die zu dem Zeitpunkt natürlich noch auf dem Boden stand. Anheben kann der Kran die Ballastpalette nicht ohne dass auch die Last auf der anderen Seite angehoben wird — das Ballastmoment würde zu groß und der Kran nach hinten kippen. Man könnte ja denken: lass uns den Ballast irgendwo auf der Seite aufbauen, damit die Strasse nicht gesperrt werden muss. Der Kran kann seinen Hintern ja zum Anhängen in Richtung dieses Ballasts drehen. Ja, kann er, aber er kann den Ballast eben nicht anheben um sich dann in Richtung Brücke zu drehen. Denn da fehlt das ausgleichende Moment der Last.

Zurück zum Hub. In dem Maße wie der Kran mehr Last des auszuhebenden Brückensegments aufnimmt wird auch die Ballastplatte entlastet bzw. angehoben. Wenn die Last vollständig am Kran hängt, schwebt die Ballastplatte; da der Ballast ungefähr doppelt so schwer war wie die Last, muss der Ballast nur auf halbem Radius (bei ungefähr 30 m) positioniert sein. Ich schreibe "ungefähr" eben weil die Momente aufgrund der Standfläche des Krans nicht exakt ausgegelichen sein müssen. Für den Kran selbst ist da natürlich nichts "ungefähr"; die Rechner tracken ständig den Schwerpunkt und melden, wenn er zu nah an die Limits kommt.

Drehung und Ablegen: Nun war die Aufgabe, die Brücke nach einer Drehung um 90° nach links näher am Kran abzulegen. Dazu wird der Ausleger angehoben, die Last kommt näher an den Schwerpunkt, das Moment sinkt. Zum Ausgleich wird der Ballast mittels des hydraulisch verstellbaren V-Frames näher an den Kran herangefahren.

Der minimale Radius beim V-Frame des LR 11000 beträgt 13 Meter. Wenn das Moment des Ballasts dann immer noch zu groß ist für das Lastmoment, müsste während des Hubs Ballast abgestapelt werden. Um diesen Zeitaufwand zu vermeiden, gibt's bei Liebherr den Vario Tray. Der erlaubt, das Mittelteil (helleres gelb in der folgenden Skizze) des Schwebeballasts durch Ziehen der Bolzen bei B vom Rest (dunkleres gelb) abzukoppeln. Aufgrund der Tatsache dass der schwerere Teil Rest quasi am leicheteren Mittelteil hängt (durch die Aufhängung bei B) kann der schwerere Teil abgekoppelt werden während der Mittelteil weiterhin am Kran hängt und als Ballast wirkt.

Während also der Ausleger aufgenommen und damit der Lastradius reduziert wurde, wurde gleichzeitig der V-Frame eingefahren, und zwar so weit, dass der Schwerpunkt relativ am hinteren Limit war. Dann wurde der der Variotray abgekoppelt: die große Palette mit 300 t wurde abgestellt während der Mittelteil noch mit 100 t wirksam war. Damit wanderte der Schwerpunkt wieder nach vorne. Nun wurde die Last um 90° gedreht. Um die Brücke abzulegen wurde der Ausleger wieder ein bisschen abgesenkt und der Lastradius damit vergrößert; aber halt nur soweit, dass es mit den verbleibenden 100 t Schwebeballast — potentiell wieder weiter herausgeschoben — passt. Der restlichen 300 t Schwebeballast stehen dann natürlich dort wo sie abgekoppelt wurden. Der Trick ist, dass man sie dort stehen lässt wo man sie für den nächsten Hub wieder aufnehmen muss. Denn der Kran kann die Ballastpalette nicht ohne weiteres wieder aufnehmen; denn nun fehlt ja die "Gegenlast". Nach dem letzten Hub muss die Ballastpalette an der Absetzstelle per Hilfskran abgestapelt werden.

Noch eine kurze Anmerkung: das Problem des am "falschen" Ort stehenden Ballasts lässt sich natürlich auch lösen. Beispielswiese dadurch, dass man die komplette Ballastpalette auf einen SPMT abstellt. Liebherr hat zusammen mit TII-Scheuerle sogar eine integrierte Steuerung entwickelt, mit der der SPMT mit dem LR 11000 drehen oder verfahren kann. Schon alles sehr cool :-)

Planung des Hubs: Aus der Erläuterung oben sollte klar werden, dass es einer ausführlichen Planung für einen solchen Hub bedarf. Neben der Verteilung des Ballast auf Oberwagen, Ballastpalette und Vario Tray muss auch genügend Platz vorhanden sein um beispielsweise den V-Frame auf seine vollen 30 m herauszuschieben. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Raupenkrane auch mit der Last verfahren können, was die Flexibilität von Hüben und der Ballastplanung weiter vereinfacht. Ich empfehle nochmal dieses Einsatzvideo von der Liebherr-Webseite.