
Trafotransport zur Südlink-Konverterstation
Wie habe ich hier geschrieben? "Die Nachrichten sind voll mit Trafotransporten". Hier ist noch einer.
Aber zunächst zum Hintergrund. Süddeutschland braucht Energie. Entstehen tut die unter anderem durch Offshore-Wind im Norden. Um sie effektiv und verlustarm in den Süden zu kommen, werden im Rahmen des Projektes Südlink durch Tennet und TransnetBW mehrere HGÜ-Trassen von Nord nach Süd verlegt. HGÜ steht für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung. Normalerweise wird sind Überlandleitungen als Wechselstromsytem ausgelegt, weil Energie sowohl so erzeugt als auch konsumiert wird. Die Übertragung als Gleichstrom ist aber verlustarmer. Der Haken ist, dasss man an den beiden Enden der Trasse Konverterstationen braucht, die die Konvertierung von Wechselstrom in Gleichstrom und zurück durchführen. Die kosten Geld, aber ab einer Trassenlänge von ca. 750 km ist die HGÜ trotzdem kostengünster.
Beim Umspannwerk Großgartach wird gerade eine solche Konverterstation gebaut. Der Auftrag wurde vergeben an Siemens Energy, die unter anderem sieben Transformatoren liefern; sechs kommen direkt zum Einsatz, einer ist Reserve. Hergestellt werden die im Trafowerk in Nürnberg. Von dort geht es — immer in 2-er Lots — per Binnenschiff nach Heilbronn. Die Reise der 300 Tonnen schweren grünen Monster von dort ins Umspannwerk habe ich begleitet.
Verantwortet hat den Transport insgesamt von Gruber Logistics. Entladen hat wie oben schon erwähnt Sarens. Der Schienentransport bis kurz vor das Umspannwerk hat Kübler übernommen. Da deren Trafobrücke aber anderweitig im Einsatz war (lt. diesem Facebook-Post wohl in Schweden), war hier Felbermayr unterbeauftragt. Die Last Mile vom Zug zum Umspannwerk hat Kahl durchgeführt.

Entladen wurden die Trafos am Schwerlastkai des Hafen Heilbronn. Dort steht ja schon länger die CC 3800 von Sarens. Der ist eigentlich für die Entladung der Komponenten für den Fuel Switch Heilbronn gedacht, wird jetzt aber auch für die Trafos verwendet.
Nach Ausheben aus dem Schiff hat sich der Kran um 180° gedreht; während er noch am Haken hing haben die Jungs von Felbermayr direkt die beiden Hälften der Trafobrücke montiert. Kleines Detail: zu diesem Zeitpunkt war keine Lok mehr da. Wie bewegt man dann die beiden 16-achsigen Hälften der Trafobrücke? Entweder indem man mit dem LKW oder einem Ladekran zieht oder indem 4 Felbermayrs (und ein Fotograf) schieben -- langsam aber stetig.

Ich bin ja schon ein paar Mal auf dem Führerstand einer Lok mitgefahren, aber das hier war ... anders :-) Zunächst war es meine erste Diesellok. Bisher bin ich immer nur auf ELoks oder einer Dampflok mitgefahren. Konkret war es die BR 218-399 von Kübler Heavy Rail.
Die Route führte uns über die Industriegleise des Hafen Heilbronn auf Gleis 9 des Heilbronner Hauptbahnhofs und von dort ein paar km auf der Kraichgaubahn Richtung Karlsruhe bis zu einer Umladestation kurz westlich der Haltestelle Böckingen West. Dazu später mehr. Los sind wir um kurz vor 01:00 nachts, unser Fahrplan gab uns eine Abfahrtszeit aus Heilbronn Hbf von 01:41 vor.
Der Zug bestand aus einem Geräte- und Werkstattwagen, einem umgebauten Personenwagen in dem das vierköpfige Team von Felbermayr wohnt, und den zwei jeweils 16-achsigen Hälften der Trafobrücke. Mit ihren 2500 Diesel-PS hatte die 218 kein leistungsmäßig kein Problem den Zug zu ziehen — viele Güterzüge sind erheblich schwerer, und Lokführer Manuel war eigentlich immer in unteren Fahrstufen unterwegs. Allerdings hat es geregnet und die Schienen waren nass, sodass die Lok vor allem beim Anfahren mit der mangelnden Stahl-Stahl-Reibung zu kämpfen hatte und deshalb regelmäßig schleuderte (ja, nennt man wirlich so). Die Sandstreuanlage sorgte für Abhilfe.
Auf den Industriegleisen sind wir eigentlich nur Schrittgeschwindigkeit gefahren, sodass wir für die paar Kilometer vom Hafen in den Hauptbahnhof eine dreiviertel Stunde unterwegs waren. Manuel's Kollege Boris ist fast immer nebenher bzw. vorausgespurtet um Weichen zu stellen oder per Schlüssel Bahnübergänge oder Ampelanlagen umzuschalten, sodass wir sicher Straßen überqueren konnten.
Der Trafo, und damit die Trafobrücke, waren breiter als das normale Lichtraumprofil der Bahn. Deswegen waren wir als "Lü" unterwegs; bei der Bahn gibt es für alles kreative Abkürzungen, und Lü steht für Lademaßüberschreitung; ich glaube, wir waren "Lü-Berta". Der Trafo ist ja an den beiden Enden der Brücke drehbar gelagert, was dazu führt dass der Trafo in Bögen (so heißen Kurven bei der Bahn) sozusagen abkürzt; damit er dabei nicht zu weit nach innen kommt (und irgendwo anstößt), kann er hydaulisch 70 cm querverschoben werden. Auf beiden Halbwägen saß jeweils ein Felbermayr-Kollege und hat entsprechend gesteuert. Der dritte stand vorne auf der Trafobrücke und hat visuell kontrolliert ob alles passt; Kollege Nummer vier saß vorne in der Lok und hat gemeldet, ob Signale, Bögen, Unterführungen oder andere potentielle Hindernisse kommen. Dazu standen alle vier miteinander in Sprechverbindung.
Innerhalb des Hafens waren wir als Rangierfahrt unterwegs. Wir waren so mitten in der Nacht als einzige im Hafen unterwegs. Als wir an der Grenze von der Hafenbahn ins öffentliche Netz der DB angelangt waren, haben wir uns beim dortigen Disponent angemeldet, und der gab uns die Freigabe zur Einfahrt auf Gleis 9. Bei der Hafenbahn haben wir uns nach passieren der Grenze abgemeldet. Die 10 Minuten vom Hauptbahnhof bis Böckingen West waren wir als reguläre Zugfahrt unterwegs — wenn auch langsamer als die dort normalerweise verkehrenden Stadtbahnen. Die Umladestation bei Böckingen West hat ihr eigenes Gleis, sodass Boris ein letztes Mal von der Lok absteigen musste um eine Weiche von Hand zu verstellen. Manuel ist dann rückwärts in da Umladegleis gefahren. Gegen 02:00 Uhr haben wir die drei Wagen dort abgestellt, und die grüne 218 ist direkt wieder zurück durch die Nacht zum Hafen.

Die Herausforderung bestand grundsätzlich darin, den Trafo, der zwischen den beiden Hälften der Trafobrücke "hing", auf einen 18-achsigen Tieflader umzuladen. Einfach drunterfahren konnte der Tieflader nicht, weil da erstens die beiden Wägen der Kesselbrücke im Weg waren und zweitens die Kesselbrücke den Trafo auch nicht hoch genug anheben kann; ca. 1.5 Meter über dem Boden waren notwendig.
Stattdessen folgendes Vorgehen. Zunächst wurde der Trafo mittels der Bücke leicht angehoben. Mithilfe des Ladekrans wurden zwei Lastverteilerplatten quer unter den Trafo gelegt. Mit Seilen und Winden wurden diese nach oben an den Trafo gezogen. Dann wurden die vier Ecken des Trafos mit Holzstapeln unterbaut. Nun konnte der Trafo von den beiden Hälften der Trafobrücke getrennt werden; er stand nun in einer Höhe von vielleicht 40 cm auf den Holzstapeln. Als nächtstes auf einer Höhe von ca. 1.5 Metern "hochgestapelt"; dazu später mehr. Als nächster Schritt wurden Elefantenfüße unter die Lastverteilerplatten gestellt und er Trafo durch Abstapeln auf diese Füße gelegt. Die Holzstapel konnte nun entfernt werden. Nun war der Trafo erstens hoch genug dass der Semi drunterfahren konnte. Und zweitens standen die Elefantenfüße weit genug außen dass der LKW drunterfahren konnte. Durch hydraulisches Anheben des Tiefladers wurden die Elefantenfüße frei und konnten per Ladekran herausgenommen werden. Der Trafo war nun erfolgreich auf den LKW verladen und wurde mit Ketten festgezurrt.
Vielleicht noch ein bisschen was zu der Stapelei. Zum Einsatz kommen Hartholzbalken mit quadratischem Querschnitt mit 10cm Seitenlänge. Aus denen lassen sich stabile "Holztürme" bauen, dem Jenga-Spiel nicht unähnlich. Außerdem kommen hydraulische Pressen zum Einsatz, letztendlich, kleine Hydraulikzylinder mit ca. 15cm Hub. Die haben einerseits innen einen Stempel und andererseits einen stabilen Rahmen drumrum. Stapeln funktioniert nun also folgendermaßen (siehe auch Abbildung darunter): (1) Der Zylinder (hellgrau) wird ein eingefahrenem Zustand auf den bestehenden Holzstapel (braun) gestellt. Eine Stahlplatte (schwarz) dient als Lastverteiler zwischen Zylinder und Holz. (2) Nun wird der Zylinder ausgefahren; mit ihm hebt sich der Trafo (helloliv) um ca. 15 cm an. (3) Jetzt wird Holz unterbaut, im Echtfall um 90° gedreht, damit der Stapel jenga-mäßig auch stabil steht. Tatsächlich werden hier knapp 15 cm unterbaut, mit 15 cm und knapp 5 cm hohen Balken. (4) Nun wird der Zylinder leicht abgesenkt, sodass er ich mit seinem Gehäuse (rot) auf den neuen Holzbalken abstützt. Der Zylinder kann nun vollständig eingefahren und die Stahlplatte entfernt werden. (5) Jetzt kann der Leerraum unter dem Zylinder mit neuen 10 cm Balken aufgefüllt werden. Die Stahlplatte wird wieder eingeschoben, und (6) ein neuer Hub kann beginnen.

Der Vollständigkeit halber: es stand ja schon ein Trafo da. Der war am Tag vorher von der Trafobrücke geliefert und durch Kübler entladen worden weil Kahl noch keinen LKW für einen direkten Abtransport frei hatte. Deswegen wurde der Trafo querverschoben. Dazu werden "Gleitbahnen" unter den Trafo gelegt und dieser dann mit Hydraulik seitlich verschoben. Da war ich aber nicht dabei, es gibt keine Bilder.

Zum Einsatz kam der oben schon oft gesehene 18-achsige Goldhofer-Trailer zum Einsatz. Zugmaschinen waren zwei 4-Achser, ein Mercedes und ein MAN, jeweils mit so 650 PS. Die Strecke führte aus der Umladestelle heraus auf die B293, Richtung Westen zur Abzweigung in die Leintalstrasse, und dann nach rechts in die Baustelle der Konverterstation. Insgesamt waren das gut 1.5 km. Los ging es um kurz nach 22:00 Uhr, unterstützt von zwei Polizeiautos und einem BF3.
Für die leichte Steigung herau aus der Umladestelle hat der Mercedes gezogen und der MAN geschoben, über 1000 PS in Summe. Trotzdem gab's Traktionsprobleme und die Zugmaschine hat durchgedreht. Sie mussten nochmal zurücksetzen und es mit "Schwung" nochmal versuchen. An der Abzweigung zur Leintalstrasse haben die LKWs umgehängt: sie sind zunächst an der Kreuzung vorbei, der ziehende Mercedes hat abgekoppelt, der schiebende MAN hat angegängt und den Tieflader weitergezogen. Der Mercedes fuhr hinterher. An der Einfahrt in die Baustelle gab's das Manöver nochmal; allerdings waren jetzt wieder beide im Einsatz, da es ins Umspannwerk leicht bergauf ging. Nach ungefähr 45 Minuten stand der Trafo im Umspannwerk.

Letzter Schritt: abladen am Zielort. Es wurden zunächst wieder Elefantenfüße unter die Lastverteilerplatten gestellt, und dann wurde wieder angestapelt. Allerdings nicht einfach auf den Boden, sondern auf Rollen. Mit denen wird der Trafo später mittel Hydraulikwinde auf Schienen an seine endgültige Position gezogen.
Leider konnten wir hier nur kurz fotografieren, deswegen nur wenige Bilder vom Beginn der Abladeaktion.

Dass an der Aktion so viele Firmen beteiligt waren bedeutete für mich dass es recht lang gedauert hatte, bis ich die entsprechenden Ansprechpartner gefunden hatte und die mirdie Genehmigung zum Fotografieren gegeben hatten. Vielen Dank an Alexander Schilling von EnBW, Olaf Weltz von Kahl, Thorge Clever von Kübler und Patrick Fuchs von Siemens. Und natürlich auch herzlichen Dank an alle Kollegen vor Ort, dass ich dann auch wirklich "zwischendrin" rumlaufen dufte um zu fotografieren. Insbesondere bedanke ich mich bei Boris und Manuel für's mitnehmen auf der Lok und bei den Jungs von Felbermayr für's mitnehmen auf der Trafobrücke. Eine Premiere :-)