Top
Home
Contact

Fuel Switch Altbach

Schwerlast mit Schmidbauer und Mammoet



Im Rahmen des Kohleausstiegs Deutschlands wird das EnBW-Kraftwerk Altbach/Deizisau auf Erdgas umgerüstet. Konkret wird ein neuer Kraftwerksblock gebaut der sowohl Strom als auch Wärme erzeugt, ein sogenanntes GuD-Kraftwerk. Die Bauarbeiten haben im Herbst 2023 begonnen, Fertigstellung ist für Ende 2026 geplant; hier das Projekttagebuch der EnBW. Der Bau wird durchgeführt von einem Konsortium aus Sener, Bonatti und General Electric.

In den letzten Wochen wurden diverse Großkomponenten angeliefert, darunter die Gasturbine und der Generator. Alle kamen über den Neckar per Schiff an einem extra dafür gebauten Anleger am Kraftwerk an. Vom Schiff ins Kraftwerksgelände gelangten sie per Kran. Den Hub verantwortete Mammoet Deutschland, sie beschreiben das Projekt auch kurz auf ihrere Webseite. Für die Kranarbeiten an sich wurde Schmidbauer unterbeauftragt.

Und Schmidbauer brachte nicht irgendeinen Kran, sondern Deutschlands größten Raupenkran, einen Liebherr LR-11350. Den Kran hatte Schmidbauer vor gut einem Jahr bekommen. Zunächst hatte das Gerät Offshore-Windkraftanlagen in Marseille zusammengebaut. Danach kam der Kran beim Abbruch des alten Viaduks von Charmaix in den Französischen Alpen zum Einsatz, ein extrem herausfordernder Einsatz über den auch Liebherr berichtete.

Nachdem der Kran also zweimal eindeutig zu weit weg war um ihn zu fotografieren, wurde er nun quasi vor meiner Haustüre aufgebaut. Durch ganz viel Unterstützung (siehe "Danke"-Teil unten) habe ich Zugang zum Kraftwerk bekommen und konnte den Kran ausführlich fotografieren.

Vielleicht noch ein Kommentar zur Behauptung "Deutschlands größter Raupenkran". Soweit ich weiß ist dies der einzige LR-11350 der von einer deutschen Firma betrieben wird. LR-12500 und LR-13000 gibt es bei deutschen Firmen keine. Schmidbauer hatte früher mal eine Terex CC 6800. Eine LR-12500 war mal in Rostock im Einsatz, aber das war der von Sarens. Dementsprechend ... müsste die Behauptung "größter Kran Deutschlands" stimmen.



Aufbau des Krans

2. August 2024 | Die Krankomponenten kamen direkt aus Frankreich. Leider konnte nicht direkt im Kraftwerk aufgebaut werden, da der Kranstandplatz noch nicht fertig war; es musste eine mehrfach komprimierte Schotterstandfläche gebaut werden, auf die dann die Bongossi-Matten gelegt wurden, auf denen der Kran letztendlich steht und verfährt. Kran, Last und Ballast kommen auf um die 1700 Tonnen. Das will gut abgeleitet werden. Die Komponenten wurden zunächst auf einer Fläche gegenüber dem Kraftwerk abgelagert, und dann mit LKWs von Schmidbauer und Paule zum Kranstandplatz gefahren. Zum Aufbau kam ein Grove GMK 6400 aus Schmidbauer's Niederlassung Oberndorf zum Einsatz.

                                             

7. August 2024 | Das zweite Mal war ich dort, als der Hauptausleger grade so fertig war, aber noch am Boden lag. Mit der Drohne durfte ich leider nicht fotografieren. Extra Genehmigung, Betriebsrat usw. Schade, hätte hier gut gepasst. Naja. Dafür durfte ich ein Außentreppenhaus an einem anderen Gebäude hoch und auch auf einen der Baukräne die am Rohbau arbeiteten. Trotzdem waren meine klassischen Rollenkopf-Bilder leider nicht möglich :-(

                                   

12. August 2024 | Ich war direkt nach dem Aufrichten nochmal dort; Hub fand keiner statt, aber es sind ein paar von meinen absoluten Lieblingsbildern entstanden.

                                                                                                                     



Entladung der Gasturbine

26. August 2024 | Der erste Hub betraf die Gasturbine. Netto wog die Last 385 Tonnen (die Last ist blau in der Karte unten). Dazu kamen ca. 40 Tonnen Gehänge. Der Kran (gelb auf der Karte) war dafür mit 300 t Ballast auf dem Oberwagen sowie 500 t Schwebeballast ausgestattet. Bei einem Radius von 30 Metern musste die Last aus dem Schiff auf eine Höhe von ca. 30 Metern angehoben werden um sie über die Bäume zu bekommen. Dann drehte der Kran um 90 Grad (von Süd auf West) und stellt die Turbine auf einem SPMT ab (rot); zwei Scheuerle-12-Achs-Module waren dazu seitlich miteinander verbunden. Mit Hilfe des SPMT hat Mammoet die Turbine dann ein paar hundert Meter nach Westen verfahren und auf Elefantenfüßen abgesetzt. Dort lagern sie bis zum Einbau in das Gebäude.

                                                                                           



Entladung des Generators

28. August 2024 | Der zweite Hub war der Generator. Grundsätzlich der gleiche Vorgang, nur dass die Last mit 425 Tonnen Netto nochmal ein bisschen schwerer war. Dementsprechend wurden auch nochmal ein paar Ballaststeine aufgelegt, 600 t schwebten hinter dem Kran.

                                                                         



Entladen von Stahlträgern

9. und 10. September 2024 | Große und kleie Stahlträger für das Maschinenhaus wurden auch per Schiff angeliefert und dann vom Kran ausgeladen. Beide waren so "leicht" dass der Kran ohne Schwebeballast arbeiten konnte. Für die kleineren Träger wurde sogar der Runner ("Schnellläuferhaken") verwendet. Die 55 Tonnen schweren großen Träger wurden in Reichweite des Krans abgelegt, die kleineren auf LKW verladen und "aus dem Weg" geräumt. Die Platzverhältnisse auf der Baustelle sind beengt.

                                                                                                     



Stahlbau

12. September / 26. September / 16. Oktober 2024 | Nachdem die Stahlträger vom Schiff abgeladen waren hat der 11350 dabei geholfen, das Maschinenhaus aufzubauen. Das hat sich über mehr als einen Monat hingezogen.

                                                                             



Verlängerung des Masts

06. und 07. November 2024 | Für die nächsten Hübe werden die Lasten etwas leichter, dafür müssen sie höher gehoben werden. Deswegen wurde der Mast auf 108 Meter verlängert. Zwei Dinge sind bemerkenswert bei diesen Fotos. Zum einen hatte ich bei einem Besuch zufällig mein 600 mm "Rohr" dabei und habe den Kran mal von ganz weit weg, gezoomt, fotografiert. Sehr ungewohnte Perspektive, man kann den Kompressionseffekt eines Teleobjektivs schön beobachten. Zweitens habe ich angefangen, ein bisschen mehr die Menschen zu fotografieren: Menschen bei der Arbeit in "ihrem" Umfeld finde ich spannend. Und wir hatten nun von allen die hier aktiv waren das Einverständnis eingeholt, dass ich sie fotografieren und hier veröffentlichen darf.

                                                                                     



Aufbau von Mammoet's LR 1500

14. und 15. November 2024 | Tatsächlich werden die nächsten Hübe Tandemhübe. Deswegen wurde nun zusätzlich zum LR 11350 ein LR 1500 aufgebaut, dieses Mal von Mammoet in rot/schwarz. Zwei so große Krane gleichzeitig sieht man schon echt selten!

Fun fact: am Tag der für den Zusammenbau des Auslegers geplant war, gab es Probleme mit dem Hilfskran; der tauchte nicht auf. Dann wurden die Mastteile der 1500 kurzerhand mit dem 11350 eingehoben. Sieht man auch selten, dass der große den kleinen aufbaut :-) Leider kam ich 10 Minuten zu spät, und ich konnte das nicht mehr fotografieren.

                                                                                                                   



Beide Krane aufgebaut

20. November 2024 | Ich war zufällig in der Gegend ... gehoben und gearbeitet wurde an dem Tag nichts, aber hey, warum nicht die beiden Krane in schönem Licht einfangen.

                                           



Entladung HRSG Module

23. November 2024 | Jetzt muss ich erstmal wieder ein bisschen erklären wie das Kraftwerk funktioniert. Im Zentrum steht die Gasturbine. Das ist im Grund ein Düsentriebwerk. An der Welle höngt der Generator und erzeugt Strom. Auf der anderen Seite strömt -- eben wie beim Düsentriebwerk -- heiße Luft heraus. Statt diese Hitze aber einfach über einen Kühlturm in die Atmosphäre zu entlassen, strömt sie durch sogenannte HRSG-Module; das steht für Heat Recovery Steam Generator. Letztendlich sind das Wärmetauscher, wo die heiße Abluft aus Wasser Dampf erzeugt. Dieser Dampf strömt dann über ein Dampfturbine, die wiederum auch über einen Generator Strom erzeugt. Das verbleibende heiße Wasser wird für Fernwärme verwendet. Durch die Kombination aus Gas- und Dampfturbine entsteht ein Wirkungsgrad von 60%. Details auf der Webseite von EnBW.

HRSG Module sind also letztendlich Rahmen mit ganz vielen Rohren drin. In den Rohren ist das Wasser das verdampft werden soll, dazwischen strömt die heiße Abluft. Installiert werden sie in einem relativ hohen Gebäude auf der Abluftseite der Gasturbine, hinter dem Diffusor. Das Prinzip ist auf der Wikipedia Seite von HRSG Modulen schön illustriert.

Jedenfalls: diese Module werden per Schiff angeliefert. Die folgenden Bilder zeigen das Entladen eines solchen Moduls aus dem Schiff und die Ablage im Kraftwerk. Der Hub fand direkt nach Sonnenaufgang statt, an einem Tag wo man sie auch gesehen hat. Dementsprechend war super Licht!

                                                                                                                                       



Installation HRSG Module

02. Dezember 2024 | Die HRSG-Module werden senkrecht installiert. Dabei werden sie von oben in das "Boilerhaus" eingeführt und an der vorher gebauten Stahlkonstruktion aufgehängt. Ein dementsprechend hoher Hub ist nötig, weswegen der Mast des 11350 verlängert wurde.

Transportiert und gelagert werden die Module natürlich horizontal. Sie müssen für die Installation also aufgestellt werden. Dazu werden die Module in horizontaler Lage von zwei Kranen angehoben, der LR 1500 am (zukünftig) unteren Ende, der LR 11350 am oberen. Der 11350 hebt das obere Ende an, während der 1500 dafür sorgt, dass das untere Ende nicht auf dem Boden aufschlägt. Dieser Ansatz kommt bspw. auch beim Bau von Stahltürmen in der Windkraft zum Einsatz.

Nun ist es aber so, dass die Module relativ filigran sind. Deswegen werden sie in (gelben) Stahlrahmen transportiert und aufgerichtet, die das eigentliche (schwarz-graue) Modul stablisieren solange es nicht entspannt senkrecht im Boilerhaus hängt. Dieser Rahmen muss aber entfernt werden bevor das Modul von oben in das Gebäude eingeführt wird. Das führt zu folgendem Vorgehen:

  • Beide Krane sind am Rahmen eingehängt. Der kleine Kran im unteren Viertel, der große direkt an der Oberseite (siehe A in Abbildung unten).
  • Die beiden stellen den Rahmen mitsamt dem Modul darin auf (B)
  • Dann wir der Rahmen abgestellt, natürlich gehalten vom Kran, sodass er nicht umfallen kann (C).
  • Der LR 1500 wird vom unteren Ende des Rahmen abgekoppelt. Die Seile werden stattdessen im oberen Drittel des Rahmens eingehängt. Beide Krane halten nun den Rahmen im oberen Bereich (D).
  • Die Oberseite des Rahmens, also der Teil an den der große Kran eingehängt ist, wird vom Rest des Rahmens abgeschraubt. Wenn man sich den Rahmen als langgezogenes Rechteck vorstellt, wird also eine kurze Seite von den drei verbleibenden (zwei lange, eine kurze) getrennt (rote Linie in (D)). Dazu fuhren eine Mitarbeiter mit dem Hubsteiger an die Oberseite des Rahmens.
  • Am großen Kran hängt nun ein kleiner Teil des Rahmens und daran das Modul. Am kleinen Kran hängen die verbleinden drei Seiten des Rahmens. Die beiden Teile sind nicht mehr verbunden (E).
  • Nun können beide Kran langsam rückwärts fahren um die beiden Teile räumlich zu trennen (E).
  • Der 11350 hebt jetzt das Modul ins Boilerhaus.
  • Der 1500 legt den Restrahmen wieder ab; unterstützt wird er dabei von einem Grove GMK 5250.


Der Hub begann im dunkeln, so gegen 7 Uhr. Um 10:30 Uhr war das Modul im Boilerhaus verschwunden.

                                                                                                                                                               



Mehr HRSG Module

11. Januar 2025 | Insgesamt 15 HRSG Module müssen installiert werden, entsprechend viele Hübe wird es auch geben. Ich war bei einem zweiten Hub dabei bei dem das Modul deutlich schwerer war: 260 t dieses Mal vs. 90 t beim vorher. Beide Krane mussten mit Schwebeballast arbeiten.

Einige der Herausforderungen im Zusammenhang mit Schwebeballast hatte ich bei der Brücke in Kornwestheim schon beschrieben. Zum Beispiel, dass der Kran den Schwebeballast nicht mehr an die ursprüngliche Stelle zurückbringen kann, denn nachdem die Last an ihren Zielort abgeladen wurde. Denn der Schwebeballast ist natürlich viel zu schwer — ohne Last-als-Ballast kann der Kran ihn nicht heben. Oft muss dann per Hilfskran abgestapelt und an anderer Stelle wieder aufgestapelt werden.

Beim Hub hier ist mir noch etwas anderes aufgefallen. Der Hub funktioniert ja folgendermaßen: der Ballast steht hinter dem Kran auf dem Boden. Er ist zwar am Kran angehängt, aber er "wirkt" noch nicht weil er auf dem Boden steht. In dem Maß wie der Kran Zug auf die Last gibt, hat auch der Ballast mehr Wirkung; irgendwann sind sowohl Last als auch Ballast in der Luft, Last und Ballast in Balance. Wenn das der Fall ist, kann der Kran (im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit) drehen, fahren und den Ausleger auf und ab bewegen. Da der Ballast schwebt, bewegt der sich einfach mit. In der Phase wo die Winde schrittweisen Last aufbringt aber der Ballast noch auf dem Boden steht ist das schwieriger: drehen oder fahren geht nicht, denn der Ballast steht ja fix auf dem Boden!

Im vorliegenden Fall hatten beide Krane Schwebeballast. Beide mussten so aufgebaut werden, dass keine Bewegung nötig wird solange der Ballast noch auf dem Boden steht. Das war auch deshalb interessant, weil die LR 1500 durchaus gut am Limit war: es hat mehrmals kurz gehupt. Es bedarf Fingerspitzengefühl und Erfahrung, die Last zwischen den beiden so anzuheben dass beide immer im grünen Bereich bleiben und nicht drehen oder fahren müssen solange die Last noch nicht komplett am Haken hängt. Spannend!

BILDER FOLGEN NACH FREIGABE



Turbinentransport per SPMT

24/25. Januar 2025 | Generator und Turbine kamen ja schon vor Monaten an. Wie oben berichtet wurden die dann in einer Ecke der Baustelle auf Elefantenfüße abgestellt, in der sie erstmal nicht störten. Nun wurden sie auf ihr Fundament des (im Bau befindlichen) Kraftwerksgebäude gehoben. Dazu mussten sie aus jener Ecke Richtung Gebäude in Reichweite des Krans gebracht werden.

Dazu wurde die 385 t schwere Turbine mit 2 x 12 SPMT Achsen einmal um das existierende Kraftwerksgebäude herumgefahren. Am Ziel angekommen war der Plan dass der Kran das Ding übernimmt und ins Gebäude hebt. Dazu wurde er mit 60 m Mast und 600 t Ballast ausgestattet. Leider hatte der Kran ein technisches Problem und der Hub musste verschoben werden. Zwei Tage später, am Montag, fand der Hub dann statt, allerdings hatte ich da keine Zeit. Also keine Bilder.

BILDER FOLGEN NACH FREIGABE



Installtion des Generators

01 Februar 2025 |



DANKE :-)

Ich möchte mich bei all denen bedanken, die dafür gesorgt haben, dass die Fotografie im Kraftwerk möglich war. Bei Stefan Schmidbauer alles initial eingefädelt hat. Bei all den Leuten bei Mammoet, Sener/Bonatti und EnBW die irgendwann mal "ja" gesagt haben, dass ich ins Kraftwerk darf um zu fotografieren. Und bei denen, die die Bilder freigegeben haben, insbesondere bei Hannah Gruner und Diana van den Bergh, Jana Wolf, Valentina Stankovic und Lea Blümel. Und bei all denen die mich dann vor Ort auch wirklich fotografieren lassen haben (unter anderem die SiGeKo und die Safety-Leute von Sener/Bonatti). Und vor allem bei Oliver, Frank, Fabian und Stephan von Schmidbauer sowie bei Jos und Leonid von Mammoet für die Unterstützung vor Ort und per Whatsapp :-) Vielen Dank an Oliver auch fürs Gegenlesen diese Seite (und der Korrektur einiger Fehler in einer früheren Version).